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Beitrag vom 09.07.2008
Gefälschte Beiträge des Gesundheitsministerium On Air
Andrea Petzenhammer
"Report Mainz" wies am 7. Juli 2008 auf von PR-Agenturen vorproduzierte Beiträge zum "Hausarztmodell" hin. Radiostationen gaben die bezahlten Berichte als unabhängigen Journalismus aus.
Das für seine überraschenden und oft brisanten Beiträge bekannte Magazin "Report Mainz" (ARD) hat am 7. Juli 2008 um 21:45 Uhr einen Bericht zu Schleichwerbung veröffentlicht. Offenbar hat das Gesundheitsministerium seit April 2007 vier vorproduzierte Beiträge an Radiosender verkauft, die das umstrittene Hausarztmodell kritiklos darstellen.
Mitarbeiterin weist auf bewusste Täuschung der ZuschauerInnen hin
Nach einer Anfrage der Linkspartei stritt das Ministerium von Ulla Schmidt den Vorwurf zunächst ab: "Vollständig sendefähige Hörfunkbeiträge wurden nicht erstellt." Auf weitere Nachfragen erhielten die RedakteurInnen von "Report Mainz" keine Stellungnahme. Erst über eine ehemalige Mitarbeiterin der "PR-Agentur Schlenker" konnten schließlich Beiträge in deren Datenbank eingesehen werden, die so angeblich gar nicht produziert worden waren. In dem Bericht zur Gesundheitsreform kam unter anderen eine Frau zu Wort, die die Reform als für sie "ideal" beschrieb. Auch Ulla Schmidt konnte die Vorteile der Regierungsmaßnahme ausführlich darstellen.
Erst nachdem die RedakteurInnen von "Report Mainz" die Gesundheitsministerin auf einem Fototermin mit ihren Recherchen konfrontierten, erhielten sie eine Antwort aus deren Ministerium. Die MitarbeiterInnen der Bundesregierung räumten ein, dass bei der beauftragten PR-Agentur vom Bundesministerium für Gesundheit Hörfunkbeiträge in Auftrag gegeben wurden. Allerdings wird in der Stellungnahme darauf verwiesen, dass die Redaktionen über die Einbettung in das Rahmenprogramm frei verfügen könnten und dass ein vollständiger Beitrag erst mit der Moderation entstünde.
Bezahlte politische Werbung, getarnt als neutrale Berichterstattung
Laut "Report Mainz" bestehen Kooperationen zwischen der "PR-Agentur Schlenker" und den Radiostationen. Die Sender werden für die komplette Ausstrahlung der Beiträge bezahlt und die Moderation mitgeliefert – sodass die ModeratorInnen sie nur noch dem Stil des jeweiligen Senders anpassen müssen. Die PR-Agentur selbst wird dabei nicht genannt, nur im Impressum auf den Internetseiten wird auf die Produktionsfirma verwiesen.
"Die Zuhörer können nicht erkennen, dass es keine Beiträge aus der Redaktion des jeweiligen Senders sind, dass es gekaufte Informationen sind. Und die Unternehmen wollen ja genau das, das ist ja das Ziel, warum sie diese Beiträge überhaupt in Auftrag geben.", so die ehemalige Mitarbeiterin der "PR-Agentur Schlenker".
Die Landesmedienanstalt NRW will nach den Enthüllungen von "Report Mainz" die Hörfunkbeiträge des Ministeriums überprüfen. Sollte das Gesundheitsministerium tatsächlich, wie im Beitrag von "Report Mainz" gezeigt, über eine PR-Agentur sendefähige Berichte produziert haben, handelt es sich um politische Werbung – und die ist nach dem Rundfunkstaatsvertrag verboten. Da die Radiostationen nicht darauf verwiesen haben, dass es sich um Werbeinhalte handelt, wäre es zusätzlich ein Fall von Schleichwerbung – und die ist ebenfalls nicht erlaubt. Doch nicht nur die ZuschauerInnen werden getäuscht. Gefälschte, vorproduzierte Beiträge, deren Ausstrahlung bezahlt wird, machen neutrale journalistische Produktionen unrentabel. Denn die kosten Geld.
"Hier wird versucht, die Pressefreiheit so weit einzuengen, dass sie gar nicht mehr wahrgenommen werden kann. Die Verantwortlichen müssen hier auch zur Rechenschaft gezogen werden. Das hat mit der Aufgabe der Regierung, mit der Aufgabe von Ministerien nichts mehr zu tun.", kommentierte Michael Konken, Vorsitzender DJV.
Quellen:
Report Mainz
www.swr.de/report
Weitere Informationen zur Sendung unter:
www.swr.de/report
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